Kinder im Mittelpunkt: Frühe Bildung und Medien gehören zusammen

Kind malt auf Tablet

Positionspapier der GMK-Fachgruppe Kita

Autorinnen und Autoren: Sabine Eder, GMK-Vorsitzende/Fachgruppe Kita, Dr. Marion Brüggemann, GMK-Vorstand/Fachgruppe Kita, und Jörg Kratzsch, Sprecher der GMK-Fachgruppe Kita

Digitalisierung oder Medien-Schonraum Kita? Medienpädagogik positioniert sich für einen alternativen medienpädagogischen Weg: kindgerechte Medienbildung von Anfang an!

Zweifellos spielen digitale Medien in Familien und auch beim Aufwachsen der Kinder eine wesentliche Rolle. Sie können die Entwicklung unterstützen, verlangsamen, anregen. Wie kann, wie muss Pädagogik Kinder und Familien beim Aufwachsen begleiten, um ihre Medienkompetenz zu entwickeln, wie jüngst auch in der BLIKK-Studie gefordert? Seit mehr als 30 Jahren ist die Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur (GMK) im Bereich frühkindliche Medienbildung und Medienpädagogik aktiv. Die Expertinnen und Experten der GMK-Fachgruppe Kita bilden pädagogische Fachkräfte aus, sind in der Elternbildung aktiv, erstellen Materialien und Modelle zur kreativen und kritischen Medienbildung in der Kita. Sie setzen sich wissenschaftlich und bildungspolitisch mit dem Thema auseinander. Angesichts der sich rasant entwickelnden digitalen Gesellschaft, die in die Lebenswelten von Kindern und Familien hineinwirkt, spricht sich die GMK-Fachgruppe in diesem Positionspapier dafür aus, endlich auf breiter Linie, entlang der gesamten Bildungskette, eine Medienbildung zu verankern, die an den Kindern (und nicht an einzelnen Medien) orientiert ist. Welche Bedingungen dafür geschaffen werden müssen, auf welchen Grundlagen sie basiert, welche vielfältigen Bildungsbereiche mit Medienbildung und Medienerziehung verknüpft sind, darüber informiert dieser Beitrag.

Vor dem Hintergrund divergierender Trends: Einerseits der Befürwortung sehr frühen digitalen Lernens und andererseits der kategorischen Ablehnung digitaler Medien im „medienfreien Schonraum“ der Kita, spricht sich die GMK, der bundesweite Fachverband für Medienpädagogik, für einen alternativen, medienpädagogischen Weg aus.

Die GMK-Fachgruppe Kita fordert dazu auf, gemeinsam mit Trägern, Bildungspolitik und mit pädagogischen Fachkräften die Forderung „Medienbildung entlang der gesamten Bildungskette“ schnellstmöglich flächendeckend umzusetzen.

1. Warum Medien ein wichtiges Thema für die Kita (-kinder) sind

Kinder nutzen unterschiedliche Medien von früh an. Schon im Kleinkind- und Kitaalter wachsen sie in einer medial geprägten Lebenswelt auf. Musik und Hörgeschichten lauschen, digitale und analoge Bilderbücher und Fotos auf elterlichen Smartphones anschauen, gemeinschaftliches Mitsehen von Fernsehsendungen oder Videotelefonate mit Verwandten, all das gehört zum Alltag vieler Kleinkinder. Im Kitaalter kommen digitale Spiele und Kinderfernsehen dazu. Zunehmend sind es digitale Angebote, die angeboten und genutzt werden. Dies wurde in der jüngsten BLIKK-Studie des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte erneut belegt.

Kinder erschließen Geschichten und Wissen über Medien. Sie nehmen die Welt und sich selbst somit auch über und in Medien wahr. Und sie erfahren, welche Bedeutung Medien im Familienleben haben. Als elementarer Teil der Lebenswelt bergen Medien dabei sowohl Chancen als auch Risiken, ähnlich wie andere Bereiche kindlicher Lebenswelt (Natur, Straßenverkehr, Spiel und Bewegung). Daher ist es folgerichtig, dass in vielen frühkindlichen Bildungskonzepten der Länder frühe Medienbildung einen Stellenwert hat. Doch hapert es in der Umsetzung: Vieles ist noch optional und Fachkräfte sind selten medienpädagogisch aus-, fort- und weitergebildet. Auch fehlt eine beständige, aufklärende und flächendeckende medienpädagogische Elternbildung. Ebenso ist eine altersgerechte und begleitete Medienpraxis mit Kindern in den meisten Kitas noch eine Ausnahme.

Frühe Bildung kann sich eine solche Situation nicht leisten. Die lebensweltlichen Ist-Stände von Familien und Kindern zu ignorieren ist angesichts sich wandelnder Herausforderungen und Gefahren und angesichts des bildungsbezogenen und kreativen Potentials von Medien mehr als unangebracht.

2. Medienbildung ist mehr!

Es gibt verschiedene Auffassungen von früher medienbezogener Bildung. Für die einen steht im Vordergrund, technische Kompetenzen zu fördern. Danach können Kinder nicht früh genug am Tablet oder Computer lernen, damit sie später „den Anschluss nicht verpassen“. Für andere sind Medien generell eher schädlich und werden im Rahmen einer medienbezogenen Verhinderungs- oder Regulierungspädagogik aus der Kita ausgeschlossen. In einem solchen Verständnis richtet sich Medienerziehung vor allem an Eltern und nicht an Kinder selbst und vermittelt ihnen, einen besonders sparsamen Umgang mit Medien zu pflegen. Keine dieser Herangehensweisen wird der kindlichen Entwicklung in einer mediatisierten Gesellschaft gerecht.

Die GMK-Fachgruppe Kita fordert die Umsetzung früher Bildung entlang lebensweltlicher Bezüge und zukünftiger Herausforderungen von Kindern. Medienerziehung versteht sich als gemeinsame Aufgabe für pädagogische Fachkräfte und Eltern im Sinne bildungspartnerschaftlichen Engagements.


Grundlagen früher Medienbildung:

  • Kinder selbst stehen im Mittelpunkt der medienpädagogischen Arbeit, nicht einzelne Medien oder Techniken.
  • Kinder bringen Medienerfahrungen als lebensweltbezogenes Thema mit in die Einrichtungen. Hieran gilt es, pädagogisch anzuknüpfen. Mediale Erfahrungen und Erlebnisse müssen pädagogisch aufgegriffen und spielerisch be- bzw. verarbeitet werden.
  • Kinder lernen, Medien als Werkzeuge zum kreativen Ausdruck, zum Experimentieren und Erforschen zu nutzen, auch im Kontext anderer frühkindlicher Bildungsaufgaben.
  • Kinder können ihre Fantasie anregen, indem sie ausgewählte und altersgerechte, medial vermittelte Geschichten (Bilderbuch, digitales Bilderbuch, Hörmedien, Kurzfilme) anschauen oder anhören und diese selbst in Gespräch und Spiel weiterverarbeiten.
  • Kinder nutzen Medien, neben nonmedialen Angeboten, zur gezielten Förderung (Sprachförderung, MINT, Logik, etc.).
  • Kinder lernen Alternativen zum Medienkonsum und medialen Spielen aktiv kennen.
  • Familien und Eltern sind Partner in der Medienerziehung. Eltern lernen vielfältige altersgerechte, auch bildungsbezogene Mediennutzung kennen und können in der Kita etwas über Medienerziehung, Auswahl und Begrenzung, Qualitäten und Quantitäten erfahren.
  • Ausstattung und Ausstattungsplanung sind wichtiger Bestandteil medienbezogener Bildungskonzepte in der Kita. Die Aufgabe der medienbezogenen Bildungsplanung wird von der Trägerorganisation und Einrichtung gemeinsam bearbeitet, dabei sind die medienpädagogischen Ziele ausschlaggebend für die Ausstattungsplanung.

Medienbildung, wie wir sie verstehen, erhält in der pädagogischen und erzieherischen Arbeit einen wichtigen Stellenwert und fordert damit von Eltern und pädagogischen Fachkräften eine reflektierte und kompetente Haltung, Anwendungssicherheit und die Fähigkeit, verantwortungsbewusst auszuwählen, aber auch zu regulieren.

3. Forderungen der GMK-Fachgruppe Kita

Die Einhaltung zeitgemäßer Bildungsarbeit von Anfang an ist unumgänglich. Dem geht die Forderung voran, entsprechende Strukturen für gelingende Frühbildung zu schaffen: Qualität der Ausbildung, Einbeziehung externer Fachkräfte, Betreuungsschlüssel, Ausstattung. Hierfür begrüßt die Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur auch die gemeinsamen Forderungen von 27 Wohlfahrts-, Familien- und Kinderrechtsverbänden sowie Gewerkschaften und Kita-Trägern vom März 2017. Die hier formulierten Schwerpunkte umfassen unter anderem auch bundeseinheitliche Regelungen zur Ausbildung, Leitlinien für die pädagogische Arbeit, verantwortungsbewusste Erziehungs- und Bildungspartnerschaft und verträgliche Fachkraft-Kind-Relationen.

Frühe Medienbildung ist dabei unter Berücksichtigung sich verändernder Lebenswelten eine große Herausforderung. Sie ist nicht schicke Kür, sondern wesentlicher Bildungsauftrag und damit verpflichtend. Die Verantwortung für die nachhaltige Umsetzung der für die frühe Medienbildung notwendigen Prozesse liegt damit auch bei den Trägerorganisationen und den politisch Verantwortlichen, die sich dem Bereich der frühen Medienbildung konzeptionell und in Form von Aus- und Fortbildungsstrukturen für pädagogische Fach- und Leitungskräfte widmen müssen.


Das muss passieren, damit Medienbildung in der Kita gelingt:

  • Jede Kita erhält professionelle Unterstützung bei der Einbettung der Medienbildung in das Kitakonzept und in die pädagogische Praxis (methodische Umsetzung mit den Kindern).
  • Die Ausgestaltung früher Medienbildung erfolgt einrichtungsbezogen und individuell. Es müssen Bedingungen des Gelingens berücksichtigt werden, welche die Entwicklung maßgeblich fördern. Das Team sollte gestaltend in den Prozess einbezogen werden. Die dafür notwenigen Rahmenbedingungen müssen im Blick behalten werden, um Überforderungen auszuschließen.
  • Kitas müssen als erstes Glied einer Bildungskette die lebensweltlichen (Medien-) Bezüge und Interessenslagen von Kindern (und Familien) ernst nehmen. Kritische und begünstigende Aspekte der Mediensozialisation von Kindern (Bildungspotentiale, kreative Medienaneignung, exzessive Mediennutzung in der Familie, Jugendschutzaspekte usw.) müssen behandelt werden.
  • Die Integration der Medienbildung in Kitas erfordert Beratungsangebote, Aus- und Weiterbildung, ergänzende Fortbildungsmodule und Handreichungen für die pädagogischen Fachkräfte.
  • Kita muss sich im Sinne multikompetenter Teams auch Fachkräften anderer pädagogischer Subdisziplinen bedienen. Wir fordern die Anpassung der Zugangsbedingungen und Einstellungskriterien und somit die Befähigung gut ausgebildeter Medienpädagoginnen und -pädagogen für den Elementarbereich.
  • Medienbezogene Eltern- und Familienbildung müssen zentraler Bestandteil der Medienbildung in der Kita sein, im Sinne einer Bildungspartnerschaft.
  • Kitas benötigen eine (technische) Ausstattungs- und Supportplanung. Medienbildung ist als Aufgabe der Organisationsentwicklung wahrzunehmen.
  • Es müssen Qualitätsstandards entwickelt und regelmäßig evaluiert werden.
  • Der Bildungsbereich Medien muss in die Bildungsprogramme aller Bundesländer und in die Trägerkonzeptionen aufgenommen werden. Bildungspläne müssen verbindlich sein. Dies ist Voraussetzung zur Qualitätssicherung in allen Bildungsbereichen (entlang der Bildungskette).


Medienbildung: Querschnittsaufgabe mit Mehrwert für die Bildungsarbeit in der Kita

Es gilt aktuelle und kommende Herausforderungen als gesamtgesellschaftliche Aufgabe (endlich!) ernst zu nehmen. Das bedeutet, dass Träger und pädagogische Fachkräfte das Verständnis und die Erkenntnis ausbauen müssen, Medienbildung als eine Querschnittsaufgabe aufzufassen, die für alle Bereiche der frühkindlichen Bildung und Erziehung bedeutsam ist. Aktive, kreative, experimentierfreudige Medienarbeit in der Kita lässt sich mit vielen Bildungsbereichen kombinieren. Sie bildet Schnittmengen zu Bereichen wie musisch-ästhetische Bildung, kommunikative Bildung, soziale Bildung, MINT und mehr. Fachkräfte können den Zugang zur Medienbildung und den Anspruch medienpädagogisch begründeten Handelns besser nachvollziehen, wenn sich der Mehrwert über die inhaltliche Verknüpfung mit allen anderen maßgeblichen Bildungsbereichen erschließt. Kinder haben ein Recht auf Medienbildung. Wir haben die gesellschaftliche Verpflichtung, Kindern die Auseinandersetzung und den Umgang mit Medien (-inhalten) zu ermöglichen:

  • altersgerecht
  • geschützt
  • kompetent begleitet
  • selbstbestimmt
  • kritisch
  • kreativ und aktiv

Die GMK-Fachgruppe Kita fordert dazu auf, gemeinsam daran zu arbeiten und die Forderung „Medienbildung entlang der gesamten Bildungskette“ schnellstmöglich flächendeckend umzusetzen.

Das Lernen mit Medien und das Lernen über Medien leistet einen unverzichtbaren Beitrag, um Kindern einen emanzipierten und reflektierten Zugang zu sich verändernden Medienwelten möglich zu machen und sie gleichzeitig auch vor Risiken zu schützen. Die Förderung eines kreativen, kritischen und konstruktiven Umgangs mit Medien von früh an ist dabei mehr als nur die Investition in gut ausgebildete Fachkräfte in digitalisierten (Arbeits-) Welten. Es ist die Vermittlung unumgänglicher Alltagskompetenzen und Kulturtechniken.

Dementsprechend gilt es, keine weitere Zeit verstreichen zu lassen und endlich mit der breiten Umsetzung, für die es bereits viele gelungene Praxismodelle gibt, zu beginnen.

Kein Kind soll die verschiedenen Elemente der Bildungskette durchlaufen, ohne umfassend, altersgemäß und ganzheitlich Medienbildung aktiv zu erfahren. Hierfür bedarf es der Anstrengungen aller Akteure früher Bildung auf Ebene der pädagogischen Fachkräfte, (bildungs-) politischen Entscheidungsträgerinnen und -trägern sowie Einrichtungen zur Aus-, Fort- und Weiterbildung pädagogischer Fachkräfte.

Kontakt: gmk(at)medienpaed.de; www.gmk-net.de


Materialien, Newsletter zur frühen Medienbildung in der Kita

Studien Kinder und Medien

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Positionspapier als PDF

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